„Sehr anschaulich
demonstriert Grunert bei dem Gepard auch seine
Auseinandersetzung mit der seit dem Ende des 19.
Jahrhunderts so heiß diskutierten Materialgerechtigkeit,
jenem Grundsatz, nachdem die Form dem Wesen und der
Oberflächenästhetik des zu gestaltenden Werkstoffs
entsprechen soll – und natürlich umgekehrt. In
scheinbarer Opposition dazu wählte Grunert weiche
flauschige Textilzöpfe, Dichtungsmaterial, um die
Muskeln der Raubkatze zu formen. Doch gerade darin ist
eine feinsinnige Wiederaufnahme des schon genannten
Ponderierens zwischen aufgeladener Kraft und Ruhe zu
sehen. Durch das Abbinden mittels vieler durchdacht
gespannter Drähte hat Grunert die flauschige Textilie zu
gespanntem Muskelfleisch werden lassen; mitunter wird
durch andersfarbige Stränge die Wirkung von
Spannungslinien überhöht. (…) Mitunter sind in Grunerts
Werken auch Fundstücke zu entdecken, die den Blick des
Bildhauers, der die Welt vor allem nach Formen
erforscht, belegen kann. (…) Aber Grunert greift
durchaus auch auf traditionelle Werkstoffe zurück.“ Dr.
Stefan Dürre

Stoffschwein, 2005, Textil, Draht, Lack, 24 × 35 × 20 cm
Stoffschwein, 2005, Bronze, 23
× 35 × 17 cm / Muttersau, 2023, Gips, 29 ×
17 × 11 cm
Esel, 2007, Holz, farbig gefasst, 50 × 39 x18 cm / Karnickel, 2007, Steinguss,1/3, Guss: Kristof Grunert
„Seit einiger Zeit tauschen
wir sporadisch Bilder von Schweinen aus, denn es ist
doch auffällig, dass das Schwein in der Kunst ein
Nischendasein fristet. Edles Rotwild, stolze Rosse, und
Löw*innen, selbst Rinder gibt es dort zuhauf. Jedoch
Schweine sieht man, wenn überhaupt, oft nur in Gestalt
viriler Eber oder aufgebrochen hängend in der
Schlachterei. Grunert hat das Desiderat schon früh
erkannt und als Zeichner und Bildhauer variantenreich
erfüllt. Dabei geht es ihm nicht zuerst darum, die
Gestalt des Tieres nachzubilden und ihm eine irgendwie
geartete Erzählung abzulauschen, sondern um (autonome)
Skulptur, um Form, Material und Raum. Doch ist es immer
erkennbar: das Schwein. Und das setzt nolens volens
einen gewaltigen Vorrat an Analogien und Assoziationen
in die Welt derer, vor denen es steht.
Im Anatomie-Unterricht hat Kristof Grunert mit seinen
Studenten das Skelett eines Hauschweins aus natürlichen
Knochen zusammengesetzt. Auch dies in gewisser Weise:
eine Skulptur. Und wenn man deren Bau betrachtend
weiterdenkt, erheben sich vielleicht die Schweine im
fahlen Schein der Virtualität zum aufrechten Gang. Und
wie in Orwells Animal Farm kann am Ende niemand mehr
unterscheiden was Mensch ist und was Tier.“ Prof.
Matthias Flügge
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