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22.7.2025

Newsletter 05/2025

Sehr geehrte Damen und Herren,

wie angekündigt gilt dieser Newsletter dem Gedenken des Berliner Bildhauers Joachim Dunkel, dessen Geburtstag sich am 19. Juli zum 100. Mal jährte.

Joachim Dunkel, studierte nach Kriegsdienst und Gefangenschaft an der Hochschule für Angewandte Kunst in Berlin-Weißensee, danach an der Hochschule für Bildende Künste in Berlin-Charlottenburg, wo er Meisterschüler von Bernhard Heiliger wurde. Er erhielt Stipendien, u. a. von Seiten der Studienstiftung des Deutschen Volkes und Preise, so den Rompreis Villa Massimo, den Georg Kolbe-Preis und den Kunstpreis für Großplastik des NOK.
Der Ort seines Schaffens blieb in der Folge Berlin, wo dann 1974 die Berufung in eine Professur an der Charlottenburger Hochschule erfolgte. Joachim Dunkel lehrte »Zeichnen und Modellieren nach der Natur« im Bereich visuelles Gestalten, als Gastdozent war er tätig an den Akademien von Breslau/Wrocław und Besançon. Die Münchener Sezession und die Neue Darmstädter Sezession wählten ihn zum Mitglied.

In Berlin ist Joachim Dunkel sowohl im Stadtraum als auch in öffentlichen Sammlungen präsent.
Das weite Spektrum seiner Arbeiten für den Freiraum umfasst u. a. vier Attika-Figuren auf dem Schloss Charlottenburg, eine »Spiellandschaft mit Fabeltieren« an der Lankwitzer Kindertagesstätte Frobenstraße, »Europa und der Stier« am Gewerbezentrum Pankow (Französisch-Buchholz), »Sonne, Mond und Sterne. Sechs Gestirne« für die Hans-Scharoun-Siedlung am Heilmannring (Charlottenburg Nord).

2002 ist Joachim Dunkel in Berlin verstorben.

Liegende auf schmaler Plinthe, 1996, Bronze, 27 × 80 × 25 cm

Prof. Dr. Börsch-Supan zur Vernissage der Ausstellung »inwendig voller Figur – Joachim Dunkel: Zeichnung – Plastik – Holzschnitt« in der Galerie am Gendarmenmarkt vom 16. Mai bis 1. Juli 2007:
»›inwendig voller Figur‹, dieses Wort Albrecht Dürers, mit dem er das Wesen des Künstlers aus der neuen Sicht der Renaissance benannt hat, trifft über die Spanne eines halben Jahrtausends hinweg auf Joachim Dunkel in besonderem Maße zu und bezeichnet damit seinen Platz in einer heute nicht mehr selbstverständlichen Traditionslinie.
Dürers Wort zielt auf den Zusammenhang der Innenwelt des künstlerischen Individuums mit der Außenwelt, die wir genießen, bewundern, die uns aber auch bedroht und bedrängt. Dürer sah Gott, den Schöpfer der Welt, als einen Künstler und so war der schöpferisch tätige Mensch in höherem Sinn das Ebenbild Gottes als der profane Nichtkünstler. … «

Große weibliche Figur, stehend an Stuhl, 1994, Bronzeguss/Farbfassung (Neuguss ohne farbige Bearbeitung), 170 × 53 45 cm
Große weibliche Figur, sitzend auf Hocker, 1991, Bronze, 129 × 41 × 86 cm

»… Wie Dürer dachte Joachim Dunkel eher nicht. Seine Werke sind aus seinem Inneren, aus innerer Notwendigkeit heraus geboren, doch können sie nicht dem Anspruch gerecht werden, eine als Kunstwerk verstandene Welt zu spiegeln. Er hat hingesehen, in sich aufgenommen, das Beobachtete in langen, oft schmerzhaften Prozessen in sich verarbeitet und in die Welt gesetzt. … Die Figur, das zentrale Thema der Dunkelschen Kunst, ist mehr als eine menschliche Gestalt, woran wir heute allerdings zuerst denken, wenn wir im Bereich der Skulptur sprechen, oder uns gar in den gegenwärtig so überaus wichtigen Bereichen der Kosmetik oder des Outfits bewegen. Inwendig voller Figur und Outfit, welcher Kontrast.«

Mars und Venus, 1998, Bronze auf Holz, 35 × 25,5 × 15,5 cm / Urteil des Paris, 1964, Bronze, 44 × 40 × 19 cm

größere Fassungen (der kleinen Werkabbildungen): auf die Bilder klicken

»… Figur ist immer geordnete Form, die aus dem Chaos, dem Beliebigen, Zufälligen sich herauskristallisiert. Figur ist immer begrenzt. Inwendig voller Figur heißt also auch vom Drang beseelt, dem Chaos etwas Geordnetes, Gestaltetes abzuringen. Das hat Dunkel, seit er sich als Künstler fühlte, sein Leben lang gemacht. Es scheint mir die Triebkraft seines Schaffens gewesen zu sein, an dessen Ende aber nie - und das unterscheidet ihn von Dürer - etwas Vollendetes, Makelloses, Vollkommenes steht.«

Mittelgroße liegende weibliche Figur, 1981, Bronze auf Holz, 22 x 58 × 32 cm

Seine Werke sind immer Aufbruch in einem doppelten Sinn: Aufbruch als Anfang eines Prozesses, der zu keinem definitiven Ende gelangt, und Aufbruch als Durchbrechen einer geschlossenen Oberfläche, das Abweisen von allem Oberflächlichen. Etwas von innen Kommendes arbeitet sich wie eine Pflanze stetig nach oben. Mir fällt dazu das Bild der Grasbüschel ein, die eine Asphaltdecke durchbrechen.
… Dunkel hat in seinen Arbeiten stets alles Glatte, von dem ein haptischer Reiz ausgeht, vermieden. Mit dieser Haltung entfernte er sich von seinem erfolgsgewohnten Lehrer Bernhard Heiliger. Keine der Figuren Dunkels ist das, was man einen Handschmeichler nennt, obgleich die gestaltende Hand in den Skulpturen wie in den Zeichnungen stets gegenwärtig ist. Seine Figuren scheinen zu vermitteln: „Rühr mich nicht an!“ Sie sind verletzt und drohen, den zu verletzen, der sie anrührt. …
… Unter dem statisch Leichten jedoch schwang stets eine tiefe Trauer. Sie ist in allen seinen Figuren zu spüren. Ich kenne keine, die selbstbewusst posiert, keine, die unversehrt ist. Dieses Lebensgefühl äußert sich in der Handschrift, die zwar von eminentem anatomischen Wissen gesteuert ist, sich aber immer wieder befragt, das soeben Gesetzte verändert, ja auszustreichen scheint, und nicht minder deutlich ist es in den ikonographischen Inhalten zu fassen.

Mittelgroße weibliche Figur (en zigzag), 1989, Bronze, Bronzeguss
Farbfassung (Neuguss ohne farbige Bearbeitung), 48 × 40 × 40 cm

Die Kreuzigungen etwa sind weder Lösungen von Formproblemen noch theologische Aussagen: Sie sind Darstellung von zutiefst empörenden barbarischen Handlungen. Analog ist das Thema des Trojanischen Krieges behandelt und mit ihm sind natürlich die Kriege unserer so fortgeschrittenen Zeit gemeint. Als bildender war Dunkel auch ein gebildeter Künstler, doch mehr mit tiefem als mit horizontal schweifendem Blick.

Kreuzigung III, 1968-71, Bronze, 44 × 33 × 23 cm auf Treibholz und Eisenplinthe / Kreuzigung VIII, 1978,Bronze,95 × 62 × 17 cm Kreuzigung VII, 1978, Bronze, H: 68 (ohne Konus-Sockel H: 48)

Joachim Dunkel: inwendig voller Figur
war 2007 eine programmatische Ausstellung des plastischen Werkes von Joachim Dunkel in der Galerie am Gendarmenmarkt mit einer programmatischen Laudatio von Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan, der den besonderen plastischen Ansatz Dunkels Werks hervorhob, inwendig voller Figur, abbildhaft doch voller Form.

Dazu eine passende Anekdote:
Bei einer der Dunkel-Ausstellungen stellte sich ein Besucher als ehemaliger Student Dunkels im Kurs Plastisches Arbeiten nach der Natur vor und erzählte mir Folgendes:

Dunkel hatte ein Aktmodell besorgt, das den Studenten sehr beeindruckt hat, vor allem seine Rundungen, die er versuchte möglichst plastisch hervorzuheben. Bei dem Korrekturdurchgang schnitt Dunkel mit dem Messer, das er zur Arbeit benutzte, die ›gelungenen‹ Rundungen von dem Tonmodell ab mit der Bemerkung: »Wir machen hier keine Frauen, sondern Plastik.«

Weibliche Figur sitzend, 1969, Bronze auf Granitzylinder, Höhe: 13 cm

 

Liegende weibliche Figur auf angegossenem Rechtecksockel, 1979, Bronze, 14,5 × 32 × 14 cm

Idee, Titel und Auswahl Dunkels erster Ausstellung in der Galerie am Gendarmenmarkt »Inwendig voller Figur« waren die Idee von Dr. Maria Dunkel, als Projekt besonders geeignet, das plastische Werk von Joachim Dunkel nahe zu bringen, eben auch für mich, das ›Spröde‹, siehe Ankündigung, als seine besondere, eigene Art plastisch zu begreifen und zu erfassen.

Dankenswerter Weise hat Prof. Dr. Börsch-Supan zu allen drei Ausstellungen, die ich zum Werk Dunkels realisiert habe, die Laudatio gesprochen, wenn auch dessen Spezialgebiet bekannter Weise ein anderes ist.
Er schätzte Joachim Dunkel sehr. In seiner Funktion als Kurator der Berliner Schlösser, hatte er den Bildhauer kennengelernt, als dieser seine Bozzetti / Entwürfe für vier der zwanzig Attikafiguren auf dem Schloss Charlottenburg einreichte. Zeitgenössische Bildhauer sollten Anfang der 70er Jahre dem Barockbau angemessene neue Musen-Formulierungen vorschlagen.

Kalliope, aus: Vier Musen, 1971/72, Bozzetto zu Attika-Figuren Schloss Charlottenburg, Aluminium, H: 75 cm /
Melpomene, aus: Vier Musen 1971/72, Bozzetto zu Attika-Figuren Schloss Charlottenburg, Aluminium, H: 75 cm

 

Eiserner Minotaurus, 1995, Bronze, 1960, Eisen gerostet auf Eisenbahnschiene, 36 × 17 × 12 cm / Stier, 1948, Bronze, 2010, 25 × 40 × 12 cm

Prof. Dr. Helmut Börsch-Supan zur Vernissage der Ausstellung im stilwerk Berlin vom 17. November 2010 bis 8. Januar 2011:
»Am Eingang - vielleicht haben es nicht alle bemerkt - steht ein Werk des 23-Jährigen von 1948, vom Beginn seiner Tätigkeit als Bildhauer. Es ist ein kleiner liebenswürdiger Stier, den man streicheln möchte, so sanft sind die Wölbungen seines Körpers, der zwar mit wenig Bodenhaftung dennoch fest auf seinen vier Beinen steht. Den originalen Gips hat Maria Dunkel in Bronze als Auflagenstück gießen lassen. Man bemerkt den Heiliger-Schüler. Das Auge ist ein Loch, auch wenn die Augäpfel nicht da sind, blickt das Auge vor dem Hintergrund der hellen Wand. …
Der Sprung von diesem Frühwerk über zwölf Jahre zu dem kleinen rostigen Minotaurus auf einem Stück Eisenbahnschiene ist dann ein gewaltiger. Der Unhold sitzt, fast thront er, gewalttätig mit mächtigem Oberkörper und bösem Blick, während die Unterschenkel wegzuschmelzen scheinen. Das ist Erinnerung an den Krieg. …«

Berolina contemporary, 1987, Bronze, H: 31,5 cm (auf Eisenplinthe 21 × 21 cm) / Säulentorso, 1980, Bronze farbig gefasst, H: 140 cm / Figur H: 80 cm

... und weiter:

»Einen gewissen Zorn kann ich nicht unterdrücken. Wir haben in Berlin vier angesehene Museen, die für diesen Bildhauer zuständig sein müssten: die Nationalgalerie, die Berlinische Galerie, das Kolbe-Museum und die Stiftung Stadtmuseum. Alle vier kümmern sich nicht um Dunkel. Man vergleiche die Fürsorge, die Wieland Förster von seiner Heimatstadt Dresden erfährt. Aber: Det is Berlin. Nur da, wo es unbedingt sein muss, schaut die Stadt zurück, sonst taumelt sie unter dem Beifall der Medien zukunftsbesoffen kopfüber nach vorn. Umso wichtiger sind die privaten Widerstandsgruppen. Eine vom Marktgeschehen bestimmte Gesellschaft - das ist ja die unsere - beantwortet die Qualitätsfrage ganz einfach: gut ist das, was hoch gehandelt wird. Aber das Wort handeln hat zum Glück immer noch eine doppelte Bedeutung, und handeln, wie ich es verstehe, sollte immer an ein Sehen und Nachdenken gekoppelt sein.«

Das gilt insbesondere auch für den 100. Geburtstag Joachim Dunkels am 19. Juli 2025, der von der kulturellen Öffentlichkeit wahrscheinlich unbemerkt vorüberziehen wird.
Die repräsentative Joachim-Dunkel-Ausstellung findet statt im Süden Deutschlands, in der Galerie der Stadt Fellbach vom 25.9. bis 9.11.2025 auf zwei lichten Etagen. In Vorbereitung ist ein Sammelband III zu Fragen der Joachim-Dunkel-Rezeption nach 2002.
»Dunkels Geheimnis« und »Dunkels Freiheit«, zwei Bände mit Texten zum Leben und Werk , herausgegeben von Rosemarie und Konrad Donhuijsen, sind erschienen im Ernst Warmuth-Verlag, Tübingen Berlin
Die von Dunkel in Terrakotta modellierten etwa 100 Figuren zur Geburt Jesu, zum privaten Gebrauch gedacht, zieht seit vielen Jahren zu Weihnachten durch verschiedene Städte Deutschlands, seit der Ausstellung im Berliner Keramikmuseum und in der Villa Oppenheim in Berlin 2019 mit einem Katalog als Buch und als Ausschneidebogen versehen, Herausgegeben von Waltraudt und Günter Braun, erschienen ebenfalls im Ernst Warmuth-Verlag, Tübingen Berlin.

Viele Ausstellungen mit Plastiken und Grafiken von Joachim Dunkel gab es an vielen interessanten Orten unseres Landes, meist initiiert von Maria Dunkel, immer realisiert von ihr.

Für mich ist Joachim Dunkel ein Höhepunkt in der figurativen Plastik Berlins in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Während viele Bildhauer in dieser Zeit wie Bernhard Heiliger in der Mitte ihres Weges die Figur verlassen haben, hat Joachim Dunkel die Tradition der figürlichen Plastik in Berlin durch eine neue Art plastischen Denkens und Fühlens, durch seine Art der Brechung mit der Figur als Abbild diese verteidigt. Er schwamm nicht mit in die Gegenstandslosigkeit, er erklomm eine neue Höhe der Figur.

Weiblicher Torso, 1955, Eisen, 17 × 23 cm, Kunstgießerei Lauchhammer / Große axial Sitzende auf angegossenem Thonet-Stuhl, 1982, Bronze, 130 × 80 × 100 cm

Wenn hier Joachim Dunkel ausschließlich als Bildhauer vorgestellt wird, darf jedoch nicht verschwiegen werden, dass er gleichfalls ein exzellenter Zeichner und Holzschneider war. Hervorgehoben sei hier das Buch: Zeichnungen zu Reineke Fuchs von Johann Wolfgang von Goethe: 1987 erschienen im Verlag Willmuth Aventhövel, Berlin, 600er Auflage, nummeriert und signiert.

Zum Abschluss noch einmal Helmut Börsch-Supan:
»Ich denke: sein Werk gibt Maßstäbe, die wir dringend benötigen, an die Hand, und es lehrt uns, Verantwortung für die Geschichte zu übernehmen, in die wir verwickelt sind. Bei aller Vorsicht mit Superlativen glaube ich doch, mit guten Gründen behaupten zu können, dass Joachim Dunkel der beste West-Berliner Bildhauer seiner Generation war, seiner Generation, d. h. derjenigen, die durch das mit der Naziherrschaft verknüpfte Inferno der Kriegszeit im Innersten erschüttert worden ist und im Wortsinn todernst war. In dieser Einschätzung stehe ich nicht allein.«

Kommen Sie weiter gut durch die sommerliche Hitze und bleiben Sie gesund,


Ihr Wilfried Karger

Weitere Plastiken von Joachim Dunkel können Sie auf der Website www.kunsthandel-karger.com in der Rubrik Künstler/Joachim Dunkel sehen, Preise fragen Sie bitte per E-Mail an.

Werkaufnahmen: Hermann Büchner, Berlin, außer: Kreuzigung VIII, Berolina contemporary, Weiblicher Torso (1955) + Porträtaufnahme: Nachlass Joachim Dunkel

 

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